Frozen yoghurt

Der Bus windet sich den Karmel Berg hinan. Rita, die zarte, filigrane Rita wird hin- und hergeworfen. Ihre Hand umklammert den Haltegriff, ich versuche, ihr gegenüber sitzend, sie insgesamt in der Balance zu halten. Dem Busfahrer müsste man ein paar Lektionen in "Anfahren - am - Berg" und "Wie - man - in- eine- Kurve- bergab- reinfährt" verpassen. Entweder ist er hochgradig unsensibel oder nicht gut drauf. Sein Fahrstil wirkt wie eine Inszenierung von schlechter Laune. Nach einer dreiviertel Stunde Achterbahnfahrt durchs bergige Haifa sind wir endlich am Ziel: Grand Canion- eine Shopping- Mall, die ca. ein Viertel von Tübingens Altstadt belegen würde.  Ein Optikergeschäft in dieser Mall bietet für Holocaust- survivers kostenfreie oder sehr günstige Brillen an. Rita hat einen Termin dort. Es wäre noch eine hilfreiche Erweiterung des Angebots, wenn der Optiker ins Yad Ezer le Haver kommt. Denn nicht jeder in diesem Heim hat eine Begleitung, die ihn vorm Umkippen im Bus schützt. Wie dem auch sei, wir sind endlich da, finden das Optikergeschäft nach vielem Herumirren. Denn Rita ist 85, nicht mehr so ganz orientierungssicher, und ich nicht Mall- trainiert. Beim Optiker angekommen, müssen wir uns sagen lassen, dass der Termin leider gestern war. Der zuständige Optiker ist nicht mehr da, nur noch eine Verkäuferin, die an der Kasse sitzt, keine Sehstärken bestimmen kann und etwas ratlos wirkt. Natürlich ist diese Situation absurd. Mein besorgter Blick fällt auf Rita, sie steht etwas erschöpft da, hält sich am Tresen fest, ärgert sich über sich selbst, fragt nach, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit....nein, leider...aber wir können einen neuen Termin vereinbaren. Nächsten Mittwoch nachmittag. Gut. Und dieser Termin ist nun auch in zwei Köpfen. Rita bemerkt lakonisch: I have an excuse- i`m 85.

Ja, Rita, und du rockst die Mall.

Mit deinem schönen Kleid, der bunten Kette um den Hals, an den Fingern schöne Ringe und immer noch gutgelaunt, werde ich von dir zum Eisstand gezogen und eingeladen. Mein erster frozen yoghurt. Ich mach mir nichts aus Eis und deshalb habe ich diese Köstlichkeit bisher an mir unerkannt vorbeiziehen lassen. Nun zeigt mein Finger auf gefrorene Mangowürfel, Strawberry und Heidelbeeren und das ganze wird mit Yoghurt zu einem leckeren Berg  verarbeitet. Im obersten Stock der Mall sitzen wir an einer riesigen Glaswand, schauen auf die gegenüberliegenden Hänge, an denen Hochhäuser kleben, unter uns breite Straßen.

Der Ausgang aus dieser Einkaufsstadt wird wieder für uns beide eine Herausforderung... Rolltreppe auf und ab auf der Suche nach dem Bus. Rita wird unruhig, die Erschöpfung sehe ich ihr an. Sie will hier raus.. sagt immer, da ist der Ausgang. Ja, Rita, da steht Exit, aber das sind die Notausgänge. Komm, wir müssen da rüber, zum Bus. Es ist nicht mehr weit..

Endlich dann im Bus stellt sie fest: "We did a journey!"  Um trocken hinzuzufügen: "Immerhin wissen wir beim nächsten Mal genau, wo wir hin müssen."

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Kommentare: 1
  • #1

    Julian (Donnerstag, 09 August 2018 18:02)

    Ein bisschen schmunzeln musste ich schon beim lesen eurer Einkaufstour. Hast du toll beschrieben. Ich konnte euch fast wie im Film folgen. Ihr Armen! Und das bei gefühlten 40 Grad. Oh God, und am Mi. nochmal dasselbe....... .
    Die Tage schau ich wieder rein um mich auf dem laufenden zu halten. Bin gespannt. Lese, dass es dir gut geht ...... .
    Liebe Grüße einstweilen
    Julian